Vielleicht wissen Sie es noch nicht, aber ich bin gerade dabei, eine neue Partei zu gründen. Ich habe zwar noch nicht allzu viele Aktivisten um mich herum versammeln können, - um ehrlich zu sein, bin ich bis jetzt das einzige Mitglied - aber wenigstens habe ich mir schon einmal Namen und Slogan ausgedacht:

DSP: Deutsche Schlau Partei – die clevere Alternative! 

Also, ich find´s gut! Hat doch was, oder? Bleibt die Frage nach der Parteifarbe. Schwarz, Rot, Grün und Gelb sind ja schon eindeutig mehr oder weniger negativ belegt. Wobei Gelb mir gut gefallen hätte, denn die Farbe Gelb gilt in China als die Farbe der Weisheit. Doch Gelb scheidet als Parteifarbe definitiv aus. Diese Kolorierung ist schon durch Mr. Westerwave (No one can reach me the water!) belegt.

Blau geht auch nicht. Wie hört sich das denn an? Ich bin ein Blauer oder gar: Ich bin blau. Nein - die Farbe Blau ist inakzeptabel.

Ich glaube, ich nehme Orange. Was halten Sie von Orange? Orange ist doch auch schön! Ein schönes, kräftiges, knalliges Orange! Ja, so soll es sein! Orange ist gut und vielleicht bekomme ich sogar Unterstützung aus unserem westlich gelegenen, ewiglich Vize-Weltmeister-Nachbarland. Wer weiß, vielleicht bildet sich in Holland sogar eine Splittergruppe.

Bleibt die Frage, in welcher Stadt der Gründungsparteitag abgehalten werden soll. Also hier im Städtchen kann diese Veranstaltung auf keinen Fall mehr stattfinden. Das wäre unpassend.

Ich sage Ihnen, hier ist was los! Erst vor zwei Wochen hat unser Oberbürgermeister alle 95 Ortseingangsschilder mit dem Zusatz „Stadt der FernUniversität“ beschriften lassen. Einfach so, - ohne einmal nachzufragen, ob man das auch darf. Hätte er doch besser Rücksprache mit der verantwortlichen Bürokratie gehalten, denn jetzt haben wir den Salat: Das NRW-Verkehrsministerium hat die „Schilda“ beanstandet, sie für ungültig erklärt und die sofortige Entfernung des Zusatzes verlangt. Der Hinweis auf die FernUni gehe nicht konform mit der Straßenverkehrsordnung, - sagt man in Düsseldorf. Der Schriftzug muss weg! Basta! Wein ist Wein und Schnaps ist Schnaps!

Da staunen Sie jetzt aber, nicht wahr? In unseren Ministerien ist man fleißig! Man kontrolliert und passt auf, dass auch alles seine Richtigkeit hat auf Deutschlands kaputten Straßen. Man hat ja auch sonst nichts Wichtigeres zu tun. Hier im Städtchen ist man auch fleißig. Über´s Wochenende war der Schriftzug prompt weg. Unbekannte Bewohner dieser Stadt scheinen ein wenig unzufrieden zu sein mit unseren wenig vorausschauenden Lokalpolitikern und haben bei einigen Schildern den Schriftzug überklebt:

 

 

„Stadt der Vollidioten“ steht nun auf den Schildern! Gott, war ich sauer, als ich am Sonntag morgen die Stadtgrenze überquerte und diesen Schriftzug las. „Stadt der Vollidioten“, das geht ja gar nicht. In dieser Stadt sollte die Deutsche Schlau Partei gegründet werden. Der Gründungsparteitag der DSP kann doch nicht in einer Stadt von Vollidioten stattfinden!   

Unser OB ist übrigens trotz dieser Sachbeschädigung immer noch sehr stolz auf die neuen „Schilda“ und weigert sich, der Anordnung aus Düsseldorf Folge zu leisten. Er findet das Verhalten des Verkehrsministeriums kindisch und kleinkariert. Und schließlich kostet das Entfernen oder das Aufstellen neuer „Schilda“ unnötig Geld. Und Geld hat man schon lange keines mehr in dieser Stadt.

Die Straßen sind hier mittlerweile so schlecht (der letzte Winter war hart, wann war der nochmal - 1947 oder 2009?), dass manche Einwohner von der Außenwelt abgeschnitten sind. Unglaublich aber wahr! Die Turmstraße hier im Städtchen ist die erste „Straße“, die von der Müllabfuhr nicht mehr angefahren werden kann. (siehe hier: <http://www.derwesten.de/staedte/hagen/Strasse-in-Hagen-von-der-Aussenwelt-abgeschnitten-id3260600.html>)

Houston, wir haben ein Problem! Liebe NASA, bitte schickt dem Hagener Entsorgungsbetrieb ein Mondfahrzeug, dass für extreme Kraterlandschaften geeignet ist. Bitte! Bitte! Schnell!

 

 

Liebe Leser, was soll ich nur tun? Ich brauche Asyl. Wohin soll ich nur gehen mit meiner Partei? Heureka, ich hab´s! Ich werde nach Dresden gehen. Dresden! Ja, Dresden! Dresden ist schön, ... und in Dresden ist man gescheit. Dort gibt es Menschen, die klug sind. In Dresden leben intelligente Menschen, die mit Geld umgehen können. Dresden ist immerhin die einzige schuldenfreie Großstadt Deutschlands! Yep, die DSP goes Dresden! Liebe Dresdner, macht Euch bereit: Die Schlauen kommen!

Was? Was sagen Sie? Das stimmt nicht mehr? Ach hören Sie doch auf, das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Dresden wurde doch erst im Jahr 2006 schuldenfrei! Hat Dresden tatsächlich fast wieder den alten Schuldenstand von damals erreicht? Nur vier Jahre hat man gebraucht, um wieder Verbindlichkeiten in Höhe von 730 Millionen Euro aufzubauen? Unglaublich! Da bin ich jetzt aber platt. Der damalige Verkauf der stadteigenen Dredner Wohnungsbaugesselschaft Woba an die US-Investorengruppe Fortress, der damals das Geld für die Schuldentilgung in die Stadtkasse spülte, hatte also nachhaltig nur den Erfolg, dass die Stadt jetzt keine Wohnungen mehr besitzt? Also wirklich, dass ist ja unfassbar: Dresden, der glühende Vorbildstern am Schulden-Nachthimmel deutscher Pleitekommunen ist nach nur vier Jahren wieder erloschen.

So und jetzt? Was raten Sie mir? Dresden scheidet als Veranstaltungsort für den historisch bedeutsamen Gründungsparteitag der DSP also auch aus. Wohin soll ich nur gehen mit meiner Partei? Okay, da Sie auch nicht mehr weiter wissen, werde ich mich jetzt professionell beraten lassen. Von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, nämlich von Ernst & Young. Die müssen schließlich wissen, welche deutsche Stadt ein angemessenes Umfeld für die Deutsche Schlau Partei bieten könnte. Ernst & Young hat nämlich erst vor kurzem eine Studie vorgestellt, die untersuchte wie deutsche Städte mit der Finanznot umzugehen gedenken.

Das wird jetzt ganz schwer für mich. Irgendwie sieht es überall ziemlich düster aus. Zusammenfassend kommt die repräsentative Umfrage unter 300 deutschen Kommunen zu dem Schluss, dass fast alle Kämmerer planen, die Steuern zu erhöhen und Leistungen für die Bürger zu kürzen. Genauer gesagt möchten 84 Prozent der Städte die Steuern erhöhen und 60 Prozent die Leistungen kürzen.

„Die Bürger werden die Finanznot der Kommunen durch höhere Gebühren, Schließungen öffentlicher Einrichtungen oder einem ausgedünnten Nahverkehr deutlich zu spüren bekommen“, sagte Hans-Peter Busson von Ernst & Young in einer Pressekonferenz am 1. Juli 2010.

Die Umfrage ergab, dass jede zweite deutsche Gemeinde die Erhöhung der Grundsteuer plane. Bei 44 Prozent der Kommunen seien Erhöhungen der Eintrittspreise für Theater, Schwimmbäder und Museen vorgesehen. Jede dritte Gemeinde will die Kita-Gebühren erhöhen. Gespart werden soll außerdem bei der Straßenbeleuchtung (31 Prozent) und sozialen Diensten, wie der Jugend- und Seniorenbetreuung. 14 Prozent planen gar die Schließung ihrer Schwimmbäder, 13 Prozent möchten den öffentlichen Nahverkehr einschränken und Hagen gehört zu den 61 Prozent der Städte, die sich entschlossen haben bei Investitionen in den Straßenbau und der Stadtentwicklung zu sparen. Im Großen und Ganzen kommt die Studie zu dem Schluss, dass die Finanzsituation deutscher Kommunen insgesamt als katastrophal zu bewerten sei. Städte und Gemeinden hätten ihre Handlungsfähigkeit verloren.

Na, toll! Dann muss eine für die DSP geeignete Stadt wohl erst noch gebaut werden. Obwohl, das mit dem Sparen bei der Straßenbeleuchtung ist doch eine gute Idee. Ich knips hier jetzt auch die Lampen aus und gehe schlafen. Gute Nacht, Deutschland!

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